Kompetenzzentrum Wald und Forstwirtschaft
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Autor(en): | Dr. Stefanie Reim |
Redaktion: | SBS, Deutschland |
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Abb.1: Aufgrund seiner Konkurrenzschwäche stehen vitale Wildäpfel auf Wiesen, Hecken oder Waldrändern (Foto: Grüne Liga Osterzgebirge e.V.) |
Der Wildapfel, Malus sylvestris (L.) MILLER ist die einzige heimische Wildapfelart in Mitteleuropa. Wegen seiner harten Früchte wird der Wildapfel auch als Holzapfel bezeichnet. Die Vorkommen des Holzapfels erstrecken sich im Osten von der Wolga bis zur Iberischen Halbinsel im Westen. Im Norden ist der Wildapfel bis Südskandinavien und im Süden bis zum Mittelmeer verbreitet (Krutzelnigg, 1995). Der Wildapfel ist sehr konkurrenzschwach und Licht liebend und bevorzugt daher häufig Nischenstandorte, wie Waldränder, Auwälder oder die typischen Lesesteinwälle des Osterzgebirges, die so genannten Steinrücken. Trotz seines großen Verbreitungsgebietes gibt es nur noch wenige zusammenhängende Populationen und der Wildapfel ist zunehmend in seiner Existenz gefährdet. In Deutschland sind größere Vorkommen auf wenige Gebiete in den Hartholzauen des Oberrheins und an der mittleren Elbe beschränkt. Lokale Verbreitungsschwerpunkte gibt es weiterhin in der Schwäbischen Alb und im Nordsauerland.
In Sachsen sind größere Wildapfelvorkommen vorwiegend im Osterzgebirge zu finden, weshalb in einem vom BMELV finanzierten Modell- und Demonstrationsvorhaben die Erhaltung Malus sylvestris im Osterzgebirge gefördert wurde. Die Grüne Liga Osterzgebirge e. V. erfasste und bonitierte während des Projektes 625 Wildapfelbäume im Osterzgebirge. Zusätzlich wurden durch das Institut für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen und Obst, Dresden-Pillnitz (ZGO-D), des Julius Kühn-Institutes (JKI) genetische Analysen an ausgewählten Wildapfelbäumen durchgeführt. Durch die Mitarbeit des Staatsbetriebes Sachsenforst wurden Wildapfel-Jungpflanzen für die Nachpflanzungen vorgenommen sowie zwei Wildapfel- Samenplantagen angelegt.
Wie bei nur wenigen Kulturpflanzen in unserer Heimat existieren beim Apfel Kultur- und Wildart nebeneinander. Da keine genetischen Kreuzungsbarrieren bestehen, kann es zu einer Vermischung beider Apfelarten kommen. Um nur ‚echte’ Formen des Wildapfels zu erhalten, ist eine eindeutige Differenzierung des Holzapfels von Mischformen und verwilderten Kulturäpfel von entscheidender Bedeutung für seine Erhaltung.
Häufig ist es gar nicht so einfach echte Wildapfelbäume von verwilderten Kulturäpfeln zu unterscheiden. Noch schwieriger ist das Erkennen von Hybriden, die aus einer Kreuzung zwischen Wildapfel und Kulturapfel entstanden sind. Für die Charakterisierung des Wildapfels sind eine Reihe von morphologischen Merkmalen beschrieben worden, die eine mehr oder weniger eindeutige Identifizierung des Holzapfels erlauben. Allerdings herrschen oftmals Unsicherheiten, welche Merkmale für die Identifizierung entscheidend sind. Auch werden Variationen dieser Merkmale von den unterschiedlichen Bearbeitern unterschiedlich toleriert. Saisonale Variationen und lokale Umwelteinflüsse können ebenfalls eine eindeutige morphologische Charakterisierung schwierig machen.
In den vergangenen Jahren wurden zunehmend genetische Analysen zur Identifizierung von potentiellen Wildapfelbäumen eingesetzt. Der Vorteil ist, dass genetische Analysen eine eindeutige genetische Identifizierung ermöglichen. Im alltäglichen Gebrauch ist ihre Anwendung aber auf Spezialisten beschränkt und zusätzlich zu kostenintensiv. Daher wird sich in vielen Arbeiten bemüht mit Hilfe der genetischen Analysen herauszufinden, welche morphologischen Merkmale besonders für die Charakterisierung des Wildapfels geeignet sind. Dazu werden die Ergebnisse der molekularen Analysen mit den morphologischen Boniturdaten verglichen.
Abb.2: morphologische Merkmale zur Identifizierung des Wildapfels: A - Behaarungsstufen an Blattunterseiten; B - Blattstiel; C - Blütenstiel; D - Deckfarbe der Früchte; E - Fruchtfarbe; F - Fruchtgröße (Fotos: S. Reim) |
Der Vergleich von molekularen und morphologischen Daten bestätigt, dass vor allem die Behaarung der Blätter und der Blüten ein entscheidendes Kriterium für die Identifizierung des Wildapfels sind. Diese Merkmale korrelierten am Stärksten mit den Ergebnissen der genetischen Analysen. Man erkennt ‚echte’ Wildapfelbäume, im Gegensatz zum Kulturapfel, an den unbehaarten Blattunterseiten und –stielen. Auch die Blütenstiele, Fruchtknoten und Kelchzähne zeigen im Gegensatz zum Kulturapfel keine Behaarung. Die Fruchtgröße und die Fruchtfarbe korrelierten nicht ganz so stark mit den genetischen Ergebnissen, sind für eine Charakterisierung des Wildapfels aber ebenfalls von wichtiger Bedeutung. Die Früchte des ‚echten’ Holzapfels sind nicht größer als 35mm und besitzen eine grüne oder gelbe Fruchtfarbe. Haben die Früchte rote Bäckchen weist das auf einen Einfluss des Kulturapfels hin. Nicht selten widersprechen sich die Ergebnisse der einzelnen morphologischen Merkmale. So kommt es beispielsweise vor, dass die Früchte eines potentiellen Wildapfelbaumes trotz fehlender Blatt- und Blütenbehaarung Früchte besitzen, die größer als die gewünschten 35mm sind. In diesen Fällen ist eine Zuordnung zu ‚echten’ Holzäpfeln oder zu Hybriden nur durch die Gesamtbetrachtung verschiedener Merkmale möglich. Andere Merkmale werden zwar häufig mit der Identifizierung des Wildapfels in Zusammenhang gebracht, eignen sich aber kaum für eine Charakterisierung. Dazu gehören beispielsweise die oft diskutierten ‚Dornen’ oder die Fruchtform.
Nach der eindeutigen Zuordnung können als ‚echt’ eingestufte
Wildapfelbäume mit einer Reihe von Maßnahmen erhalten werden. Die erste Wahl
bei den Erhaltungsmaßnahmen ist immer die Sicherung vorhandener Bäume an ihrem
natürlichen Standort (in situ). Ein
besonders wichtiger Schritt ist die Verbesserung der Konkurrenzsituation durch
den Freischnitt benachbarter Bäume und Sträucher. Auch ist die Nachpflanzung
von Jungbäumen zur Verdichtung der Population eine entscheidende Maßnahme, um
langfristig eine selbständige Verjüngung der Population zu gewährleisten. In bestimmten Fällen sind solche Maßnahmen
für die Erhaltung des Wildapfels nicht mehr ausreichend. Zum Beispiel, weil die
Wildapfelvorkommen zu gering sind und eine Befruchtung nicht mehr gewährleistet
ist. Oder die Population ist überaltert bzw. krank und eine weitere Dezimierung
des Bestandes ist absehbar. In solchen Fällen ist die Anlage von
Erhaltungsplantagen (Samenplantagen) sinnvoll.
Abb3: Vom vertrauten Tee bis zum exotisch anmutenden Eis - der Wildapfel bietet vielfältige Nutzungsmöglichkeiten (Fotos: M. Höfer & Grüne Liga Osterzgebirge e.V.) |
Ein oftmals vernachlässigter Aspekt
bei den Bemühungen eine Art zu erhalten, ist die Prüfung von
Nutzungsmöglichkeiten der Pflanze. Traditionell wurden im Osterzgebirge die
Früchte des Wildapfels getrocknet und im Winter als Tee zubereitet. Der
Wildapfeltee besitzt einen hohen Vitamin C Gehalt und gilt als fiebersenkend.
Auch eine Weiterverarbeitung der Früchte zu Gelee, Wildapfeleis oder
Wildapfelbrand wurde erfolgreich erprobt. Für eine forstwirtschaftliche Nutzung
ist das Wildapfelholz aufgrund seiner geringen Holzstabilität nicht geeignet.
Trotzdem kann Wildapfelholz, das bei Schnitt- und Pflegemaßnahmen abfällt, zu
außergewöhnlichen Schmuck-, Spielzeug oder
Kunstgegenständen verarbeitet werden. Bei der Etablierung von
Nutzungsmöglichkeiten des Wildapfels geht es nicht um einen finanziellen
Gewinn. Vielmehr werden den Besitzern eines Wildapfelbaumes Möglichkeiten
aufgezeigt den Wildapfel sinnvoll zu nutzen. Denn, was man nutzt erhält man
auch!